Anmerkungen zu Diözesan- und Dombibliothek Handschrift 8. Beitrag von Ulrike Surmann in 'Glaube und Wissen im Mittelalter', Katalogbuch zur Ausstellung, München 1998, S. 282

Psalterium quadruplex

Bamberg, Kloster Michelsberg, 2. Viertel 11. Jh.

Insgesamt dreimal nahm sich der Kirchenvater Hieronymus (347/348-419/420) der lateinischen Übersetzung der Bibel an. Er revidierte zuerst die altlateinische Textfassung (382-385), übertrug anschließend die griechische (386/387) und dann die hebräische Bibel (392) in die lateinische Sprache (von Euw 1985, S.394). Die drei lateinischen Versionen des Psalters - Romanum, Gallicanum und Hebraicum - wurden im Auftrag Salomons III. (890-920), Bischof von Konstanz und Abt von St. Gallen, im sog. Psalterium quadruplex nebeneinandergestellt und um die griechische Fassung in lateinischer Transkription ergänzt. Wahrscheinlich diente dieser Psalter Studienzwecken, z.B. dem Erlernen der griechischen Sprache. Es fällt auf, daß zumindest in Dom Hs.8 die Spalte mit dem griechischen Text jeweils von einer anderen Hand geschrieben wurde als der lateinische Text. Offensichtlich konnte die Kenntnis des Griechischen bei keinem der zahlreichen "lateinischen" Schreiber vorausgesetzt werden. In ottonischer Zeit scheint sich dieser Psalter einiger Beliebtheit erfreut zu haben, denn es sind eine Reihe von Exemplaren überliefert (Rom, Bibl. Vaticana, Pal. lat. 39; Essen, Münsterschatz, s.n.). Sie gehen alle auf eine Handschrift zurück, die sich heute in der Staatsbibliothek von Bamberg befindet (Ms. Bibl. 44). Aus ihrem 44 Hexameter umfassenden Widmungsgedicht sind der Auftraggeber Salomon III., die Bezeichnung 'quadruplex' und das Entstehungsjahr 909 bekannt. Einer nicht sehr alten Legende nach (Berschin 1991, S.328f.) gelangte dieses Exemplar aus dem Nachlaß Kaiser Ottos II. (967-983) nach Bamberg, der - laut dem Zeugnis Ekkehards IV. (980/990-nach 1056; MGH SS II, S.147) - im Jahre 972 einige Handschriften in St. Gallen "entlieh", ohne sie wieder zurückzugeben. Laut Hoffmann (1995, S.15) erreichte der Psalter Bamberg jedoch erst in späterer Zeit. Zuvor habe er sich, den Marginalglossen zufolge, seit der 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts in einem nordwestdeutschen Skriptorium befunden. Die mehr als 100 Jahre späteren Abschriften halten sich erstaunlich exakt an die Vorlage. Dom Hs.8 enthält neben dem Widmungsgedicht (9r) und einigen Papst Dama- sus I. (366-384) zugeschriebenen Versen (9v) die Briefe des hl. Hieronymus, in denen er die verschiedenen Bibel-Übersetzungen (1r-8v) erläutert und die Origo prophetiae David (8r), die von der Auswahl der Psalmensänger durch David und vom Gesang beim Einzug in Jerusalem mit der Bundeslade berichtet (vgl. 1 Chr 25, 1-7; 15, 14-29). Von dem Widmungsgedicht fehlen durch den Verlust einer Seite die ersten sechs Verse. Der Anhang (159r-164v) umfaßt zweisprachig das 'Vater unser', die Glaubensbekenntnisse, das Gotteslob und eine griechisch-lateinische Litanei. Letztere enthält die süddeutschen Heiligen der Vorlage (Kahsnitz 1979, S.103) sowie eine Bitte für den zur Zeit Salomons herrschenden König Ludwig (900-911). Die Kölner und auch die eng verwandte Essener Handschrift wurden also ohne Rücksicht auf evtl. abweichende lokale Bedürfnisse kopiert. Sie gehen wohl direkt auf das Bamberger Urexemplar zurück, während das vatikanische Fragment sich offensichtlich an Dom Hs.8 orientiert (Berschin 1991) - dem Widmungsgedicht fehlen die gleichen sechs Verse. Da dieses Fragment einem Psalter des späten 11. Jahrhunderts mit einer nachgetragenen kölnischen Litanei beigebunden ist, könnte man vermuten, daß sich Dom Hs.8 schon zu dieser Zeit in Köln befand. Entstanden ist sie dort jedoch nicht. Hoffmann (1995) zufolge wurde sie im 2. Viertel des 11. Jahrhunderts im 1015 gegründeten Benediktinerkloster Michelsberg zu Bamberg geschrieben.

Ulrike Surmann